Haltung der Bundesregierung zur Tätigkeit deutscher Sicherheitskräfte in Libyen
(ZP*, 01:00 Stunde)
Sehr geehrter Herr/Frau Präsident(in), meine sehr verehrten Damen und Herren,
von einem Fraktionsmitglied der xxx würden Sie jetzt sicher erwarten, dass es in Sachen Libyen die moralische Keule auspackt. Dass es vor allem beklagt, dass die Bundesrepublik einerseits für die Wahrung der Menschenrechte eintritt, anderseits aber einem Staat, der diese geradezu mit Füßen tritt, durch die Ausbildung seines Sicherheitspersonals dabei auch noch unterstützt.
Doch ich muss ihre Erwartungen heute leider enttäuschen. Denn heute will ich das tun, was auch die Kollegen anderer Fraktionen schon das ein oder andere Mal versucht haben – leider größtenteils in einem völlig anderen Kontext: Dem Sicherheitsstaat das Wort reden. Schärfere Kontrollen und härtere Gesetze fordern.
Denn die deutschen Polizisten und Soldaten, die sich von der privaten Sicherheitsfirma BDB bezahlen ließen, haben bei ihrem Einsatz in Libyen auch sicherheitsrelevantes Wissen weitergegeben. Wissen, dass sie von der Bundesrepublik bekommen haben, um sie zu schützen. Zu schützen vor Anschlägen, wie sie – Stichwort La Belle – auch von der libyschen Regierung in Auftrag gegeben wurden.
Auch damals waren zuvor deutsche Staatsdiener – aus DDR und Bundesrepublik (!) – ans Mittelmeer gereist, um Gaddafis Truppe Schulungen angedeihen zu lassen, die weltweit wegen ihrer Qualität hoch im Kurs werden.
Ein Ruf, der eher Anlass zur Sorge als zum Stolz bietet. Zum einen, weil Libyen nicht das einzige Land war, an das deutsches Know How verscherbelt wurde. Zum anderen, weil das Soldaten und Polizisten nicht mehr nur im Nebenerwerb tun, sondern sich sogar dazu verleiten lassen, den Dienst beim Staat vorzeitig zu quittieren – verleiten lassen von Sicherheitsfirmen aus der gesamten westlichen Welt, mit Schwindel erregenden Honoraren und einem breiten Einsatzmöglichkeiten.
Bereits Anfang 2006 hat meine Fraktion der Bundesregierung dazu einige – im Nachhinein umso dringlicher erscheinende – Fragen gestellt.
Wir wollten wissen, wie verhindert werden kann, dass sensibles staatliches Wissen über private Militärdienstleister in falsche Hände gelangt.
Wir wollten wissen, wie verhindert werden kann, dass Berufssoldaten sich an diesem Wissenstransfer beteiligen.
„Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“ heißt ein Bild von Francisco de Goya – das nicht zuletzt dadurch so bekannt geworden ist, dass es Mechanismen wie die eben beschriebenen so genau darzustellen vermag. Ein Bild, das geradezu zu dem auffordert, was wir vor zwei Jahren versucht haben: die Bundesregierung wachzurütteln. Leider vergeblich.
Denn während die in aller Seelenruhe an einer Antwort bastelte, hatte sich ein BND-Mann in Tripolis bereits mit dem Chef der privaten Sicherheitsfirma getroffen. Die Schulungen der libyschen Sicherheitsleute verliefen danach ohne Störung.
Und die Bundesregierung teilte uns mit, dass man die vorhandenen Gesetze für den Umgang mit privaten Dienstleistern für ausreichend halte.
Sie teilte uns weiter mit, dass bereits die Verschwiegenheitspflicht Soldaten daran hindere, das von ihrem Dienstherrn vermittelte Wissen an fremde Hände weiterzugeben.
Dann wies der BND auch noch seine Mitarbeiter an, die Treffen mit dem privaten Ausbilder zu unterlassen – und ansonsten – rein gar nichts zu unternehmen.
Zu den Hauptaufgaben des Dienstes gehört es, dafür zu sorgen, dass Wissen, das dem Schutz unseres Landes dient, nicht in falsche Hände gerät.
Die Frage ist, warum der BND dieser Pflicht zwischen 2005 und 2007 in Libyen offensichtlich nicht nachkam.
Die Frage, ob auch die Bundesregierung von dem Wissenstransfer wusste oder diesen gar aktiv förderte – etwa um sich für die Kooperation Libyens in der Flüchtlingspolitik, das Freikaufen der Jolo-Geiseln und den offenen Empfang deutscher Wirtschaftsdelegationen erkenntlich zu zeigen – die Beantwortung dieser Frage hilft im Hinblick auf die nun zu lösenden Probleme kaum weiter.
Ein wenig aussichtsreicher klingt da schon die Ankündigung der Regierung, nun doch tatsächlich zu prüfen, was man für Gesetzesänderungen brauche, um den Ausverkauf von staatlichem Know How zu verhindern.
Wir stehen – mit unserem Denkvorsprung von zwei Jahren – gerne für ein paar Nachhilfestunden zur Verfügung.
In denen es zum Beispiel darum gehen würde, die Strafandrohung für den Transfer von materiellen Rüstungsgütern in kritische Staaten auch auf den Transfer von immateriellem auszudehnen, auf die Vermittlung von Handwerkstechniken und -methoden.
Und darum, die dienstrechtlichen Vorschriften für Soldaten und Polizisten so zu konkretisieren, dass sie weder im Urlaub noch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst ihre in diesem erworbene Kenntnisse ungestraft kapitalisieren können.
Vor allem aber um eine effektivere Kontrolle der Geheimdienste, die wieder einmal gezeigt haben, wie wenig sie sich an ihre gesetzlichen Verpflichtungen gebunden fühlen.
Ja, wir sind wirklich gerne bereit, als xxxx könnte man sogar sagen: allzeit bereit, den Grundstein für den Bau eines solchen, neuen (ironisch betont) „Sicherheitsstaates“ den Grundstein zu legen.
Lassen Sie die Vernunft im Schlaf nicht länger Ungeheuer gebären. Sondern ringen sich mit uns dazu durch, nicht nur im Goyaschen Sinne endlich aufzuwachen.